Wir haben ein Männerproblem, und der Feminismus ist die Lösung

Das Erstarken der so genannten „Alternative für Deutschland“ (AfD) ist ein ebenso aktuelles wie erschreckendes Phänomen. Die letzte Sonntagsfrage von EMNID beantworteten zehn Prozent der Wählerinnen und Wähler mit einem Ja zur vergleichsweise noch jungen Partei. Damit wären die Rechtspopulisten derzeit drittstärkste Kraft im Deutschen Bundestag.

Interessant ist der Blick auf die Verteilung zwischen den Geschlechtern: Während die AfD bei Frauen gerade einmal auf zwei Prozentpunkte kommt, präferieren satte 17 Prozent der Männer die angebliche Alternative zum politischen Status Quo. Die in meinen Augen beste Reaktion auf diese Zahlen kam von einer Twitter-Nutzerin:

Natürlich wäre eine solche Maßnahme verfassungsrechtlich bedenklich und per se ein Rückschritt in Zeiten, als Frauen sich das Recht zum Urnengang erst mühsam erkämpfen mussten. Dennoch lohnt ein Blick auf die zugrunde liegende Problematik. Ganz offensichtlich treibt es vorwiegend Männer in die Arme von z.T. offen rechtsextremistischen Gruppierungen. Die Frage lautet: Warum?

Rückenwind für die überwiegend männlichen Nationalisten in Deutschland sind dabei die Silvester-Vorfälle rund um den Kölner Hauptbahnhof. Ganz plötzlich entdeckten viele ihre bis dahin eher in homöopathischen Dosierungen vorhandene Solidarität mit den Frauen. Natürlich nur mit denjenigen, die von Migranten attackiert wurden. Und natürlich nur mit den Deutschen unter ihnen. Ausnahmsweise auch, wie zuletzt in Berlin im Falle der 13jährigen Lisa, mit einem russland-deutschen Mädchen – aber immer nur dann, wenn es der eigenen Ideologie in den Kram passt.

Die taz näherte sich der Fragestellung nach dem Warum zuletzt mit einer Analyse, wonach einige Männer Angst hätten ihre Privilegien zu verlieren.

Die AfD ist das Sprachrohr einer Männerriege, der ihr als natürlich empfundener gesellschaftlicher Machtanspruch allmählich entglitten ist und die jetzt durch die Flüchtlingskrise noch einmal die wohl letzte Chance wittert, sich in archaischer Weise als Beschützer der Horde aufzuspielen.

Ich teile diese Einschätzung der taz. Das gefühlte Patriarchat ist für diese Gruppe Männer oft die letzte Bastion vor dem Eingeständnis, dass die Zeiten sich geändert haben, sie selbst aber in keiner Weise das Potenzial zu nötiger Veränderung besitzen. Die Gründe bleiben in ihrer eigenen Wahrnehmung ebenso diffus wie ein möglicher Ausweg.

Geändert haben sich die Zeiten vor allem für die Männer, deren Paradigmen das Leben in Gesellschaft, Unternehmen und Familie über Jahrhunderte dominierten. Sie sehen sich nun mit einer nie gekannten Notwendigkeit zu Reflexion und Veränderungsbereitschaft konfrontiert. Doch weil ihnen größtenteils die (intellektuellen) Mittel fehlen sich mit diesem ganz und gar nicht unspannenden Prozess auseinanderzusetzen, ist ihre Reaktion Verunsicherung bis hin zu Hass und z.T. Gewalt.

So wehren sie sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln (Hinweis des Verfassers: Das sind oft erschreckend wenige) gegen ein neues Männerbild, das von gegenseitiger Verständnisbereitschaft und Empathie und weniger von Dominanz und Manipulation geprägt ist. Sie greifen dabei zu dem ihnen einzig zur Verfügung stehenden Mittel: der Leugnung von Verantwortung und der Suche nach vermeintlich Schuldigen außerhalb ihrer peer group. Wie gut, dass es die Flüchtlinge gibt.

Doch die Abwehr geht tiefer. Das Ventil #koelnhbf lässt neben dem Hass auf Migranten noch weitere Aggressionsursachen eskalieren. Wie gerufen kommen dabei die Feministinnen, deren Agenda vielen Männern z.T. seit Jahrzehnten ein Dorn im Auge ihrer Männlichkeit ist. Ziel des Angriffs auf alles Fremde, Weibliche und Neue ist auch und vor allem die Diffamierung des feministischen Diskurses.

Man muss auch nach Gründen für die Ohnmacht forschen, die der Machtverlust bei vielen Männern offenbar auslöst. Sie sind häufig frustriert, weil der ihnen bekannte Handlungsraum, innerhalb dessen sie mehr oder weniger sozialisiert wurden, aus ihrer Sicht immer weiter beschnitten wird. Doch statt einer Analyse folgt allzu oft Entfremdung und die Annahme einer vermeintlichen Opferrolle. Und schließlich die Suche nach Feindbildern.

In meinen Augen sind die ungleiche Wähler-Verteilung bei der AfD und die extremen Reaktionen vieler Männer im Zuge der Kölner Vorfälle ein Indiz dafür, dass die Lösung auch und gerade im Feminismus liegen kann und vielleicht sogar muss. Denn sobald ein Großteil der Männer begreift dass es sich bei der feministischen Agenda nicht um ein rein weibliches Projekt handelt, sondern dass die Ideen und Forderungen sehr wohl im Interesse beider (bzw. aller) Geschlechter liegen, kann sich Entscheidendes ändern.

Doch die Annäherung großer Teile der Männer an den Feminismus wird kein einfaches Unterfangen werden. Der Identifikationsprozess legt Nerven blank und zwingt zum Abschied von sicher geglaubten Paradigmen. Die eigentliche Herausforderung sitzt an genau dieser Stelle: Entscheidend ist der Verzicht auf die bekannten Abwehrmechanismen wie Schuldzuweisung oder Ablehnung. Statt dessen ist eine Neuentdeckung und Umdeutung von Männlichkeit vor dem Hintergrund sich verändernder Machtkonstrukte entscheidend für den Erfolg des feministischen Schulterschlusses.

8 Gedanken zu “Wir haben ein Männerproblem, und der Feminismus ist die Lösung

  1. Welche Form des Feminismus denn?
    Gleichberechtigung an sich ist klar.
    Der intersektionale Genderfeminismus krankt mir allerdings zu sehr an Männerfeindlichkeit und einem zu binären Schema von gut-böse und privilegiert-unterdrückt

    • Ich glaube nicht, dass man(n) sich unbedingt die extremeren Formen des Feminismus zum Vorbild nehmen muss. Grundsätzlich finde ich all das, was in Richtung Gender Equality geht, unterstützenswert. Aber einer der nächsten Schritte kann durchaus eine Definition dessen sein, was genau die Parameter ausmacht, die Männer auf ihre Agenda nehmen sollten. Vorschläge sind willkommen.

      • Wie wäre es denn mit einem Humanismus, also dem Versuch Nachteile bei beiden Geschlechtern abzubauen?

        Im Familienrecht gibt es ja zB noch viele antiquierte Bereiche, die eher vorteilhaft für Frauen sind. Beispielsweise muss ein Ehepartner im Trennungsjahr keine Beschäftigung aufnehmen, wenn er es vorher nicht gemacht hat, das ist üblicherweise eher die Frau. Diese kann also zB ein Jahr lang nicht arbeiten und (meist) der Mann zahlt dann höheren Unterhalt. Das ist mit einem modernen Bild der Geschlechter ja eigentlich kaum in Einklang zu bringen

  2. Also, bevor wir vermeintliche Privilegien von Frauen abbauen, haben wir noch eine riesige Strecke vor uns, auf der wir Diskriminierung zurückdrängen müssen. Frauen nach Trennungen nicht (mehr) zu unterstützen, ist in meinen Augen daher eher auf andere Weise skandalös.

  3. Pingback: Warum ich als Mann keine Bedrohung für Frauen sein will | Digitale Tanzformation

  4. Frueher : Maenner waren Versorger, die Kirche achtete auf Monogamie. Frauen waren auf die Ehe angewiesen so bekam fast jeder einen Partner, nur der natürliche Überschuss von 3% an Männern ging leer aus. Zumindenst so die Theorie.
    Heute : Frauen entscheiden sich zunehmend für das alleine leben, und teilen sich wenige Alphas. Eine grosse Gruppe der Männer ist frustriert und vereinsamt – noch Fragen woher die AfD ihre Wähler bekommt?
    Lösungsansätze können nur transhumanistisch sein, genetische oder pharmakologische Verschiebung des Geschlechterverhältnis bei Zeugung/Geburt vielleicht? Ausrottung genetischer Dispositionen die unattraktiv wahrgenommen werden?
    Oder?

    • Ich halte Ihre Theorie für falsch und gefährlich, Ihr „Oder?“ interpretiere ich als rhetorische Frage. Sie implizieren, dass es einzig darum gehe Männer mit Partnerinnen zu versorgen. Die von Ihnen ins Spiel gebrachten Maßnahmen sind einigermaßen widerlich. Sollte Ihr Kommentar zynisch gemeint sein, dann ist das nicht zu erkennen.

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