Heul doch, Mann! Eine Replik auf Jens Jessen.

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Weinen ist gut, Ranten nicht unbedingt besser. (Foto von Tom Pumford bei unsplash.com)

„Der Mann? Das ist der Mann, den sich diese neuen Radikalfeministinnen vorstellen.“

So antwortete ZEIT-Feuilletonist Jens Jessen auf die Frage der Radiomoderatorin Katja Weber von radioeins, welche Männer er mit seinem verbalen Rundumschlag via ZEIT-Titelgeschichte („Schäm dich, Mann!“, ZEIT Nr. 15 vom 5. April 2018) meinte. Der Sachverhalt wird durch diese Aussage nicht klarer, zumal Jessen auch in der Folge des Interviews eine Erklärung schuldig bleibt.

Im Artikel selbst wittert Jessen ein „rhetorisches Hexenlabyrinth“, in dem „jedes männliche Entgegenkommen in einer Sackgasse endet.“ Jene Sackgasse ist wohl eher der Jessenschen Abstraktionsfähigkeit zuzuordnen. Es drängt sich jedenfalls der Eindruck auf, dass er noch nicht annähernd verstanden hat, dass es in einer patriarchalen Struktur nicht um irgend ein Entgegenkommen geht, sondern um die Ermöglichung von Gleichberechtigung im Maßstab 50:50. Und dass nicht Entgegenkommen sexuelle Übergriffe verhindert, sondern nur die Bewusstmachung des vollen Ausmaßes toxischer Maskulinität und deren z. T. schrecklichen Konsequenzen.

Jessen fühle sich in der Zwickmühle. Sowohl Schweigen als auch Teilnahme am Diskurs seien keine Optionen, da beide Varianten von den „Wortführerinnen der Debatte“ (Männer sind offensichtlich mitgemeint) zur argumentativen No-go Area für Männer erklärt worden seien. Was der Autor nicht verstanden hat: Schweigen an der richtigen Stelle und Diskursbeiträge mit den passenden Inhalten sind zwei ganz hervorragende Optionen für Männer in der Debatte um #metoo. Dafür brächte es aber die Fähigkeit und den Willen sich das passende Repertoire auch anzueignen.

Jens Jessen ist sich nicht zu schade die feministische Rhetorik mit „bolschewikischen Schauprozessen“ zu vergleichen: der Mann als Klassenfeind. Wenn man denkt, es könne absurder nicht werden, wird es weinerlich: Als Männer seien sie „Ursache jeglichen Weltproblems.“ Kaum sind die Tränen der Rührung ob einer solchen Einlassung getrocknet, geht es weiter im Text.  Jessen meint die „ideologische Totalität des neuen Feminismus“ erkannt zu haben. Die geneigte Leserin (Männer sind mitgemeint) ist sprachlos.

Man muss dem Artikel insofern Respekt zollen, als nahezu alle antifeministischen Reflexe verarbeitet werden. Vom Mansplaining zum Manspreading ist es eine recht kurze argumentative Wegstrecke. Ein wenig später wird es hingegen nachgerade investigativ: Bei EDITION F habe man eine Textstelle entfernt, in der die Autorin Mirna Funk eine Terrorgruppe anregte, die „die alten weißen Männer aus dem Weg schaffen“ solle. Ob Herr Jessen den Generalbundesanwalt bereits informiert hat? Schließlich ist dieser selbst Teil der Gefährdeten-Gruppe.

Einzig das Wechselmodell habe ich vermisst, aber vielleicht hat Herr Jessen keinen so guten Draht zu den Männerrechtlern, die dieses Thema gerne in jede Diskussion um Männlein und Weiblein einschmuggeln. Ansonsten aber deckt der Artikel alles ab, was den Autor in den vergangenen Jahren gestört zu haben scheint: #aufschrei und #teamginalisa sind nur zwei Hashtags, denen Jessen noch eine mitgibt. Nicht ohne sie zuvor als „kindische Wallungen aus dem Internet“ zu branden. Ein wenig Maschinenstürmertum verträgt sich offenbar trefflich mit einer antifeministischen Agenda.

Die „Kollektivverantwortung aller Männer“ ist es, die für Jessen so unerträglich scheint. Deshalb geht er jetzt auch in die Vollen: „Der Feminismus hat damit eine Grenze überschritten, die den Bezirk der Menschlichkeit von der offenen Barbarei trennte.“ Was bist jetzt u. U. noch lustig war, kippt spätestens jetzt ins Perfide. Jessen entmenschlicht die Feminist*nnen. Das ist ein klassisches demagogisches Sprachmuster. Damit überschreitet Jessen eine Grenze, die nicht mehr im Sinne eines „Rants“ zu entschuldigen ist. Man darf davon ausgehen, dass er das ganz bewusst macht.

Einst bescheinigte Hellmuth Karasek Jens Jessen einen „gnadenlosen Blick für das Absurde der Zeitgenossenschaft und die nötige Bildung, um es einzuordnen.“. Entweder hat er diesen Blick verloren, oder er hat sich ganz bewusst dafür entschieden, dass Feminismus zum Absurden gehört. Beides wäre extrem bedauerlich.

Vom Gatekeeper zur Plattform zur Blockchain? Was folgt auf Uber, airbnb und Co.?

Wenn man früher mit dem Reisebus unterwegs war und in einer bestimmten Gaststätte Mittagspause machte, dann wusste man, dass der Busfahrer nichts für sein Mittagessen zu bezahlen brauchte. Im Gegenteil: Er kassierte in der Regel eine kleine Provision dafür, dass er dem Wirt ein paar Gäste zuführte. Damit kam man klar.

Wenn man heute die Instanzen analysiert, die bestimmten Geschäftsmodellen Kunden zuführen, dann fällt einem das Klarkommen nicht mehr ganz so leicht. Denn die Sache droht einigermaßen aus dem Ruder zu laufen. Die als Intermediäre fungierenden Plattformen haben ganze Industrien verändert und sorgen auch fortlaufend für große Umwälzungen. Für bestimmte Branchen ist die Luft bereits recht dünn geworden, so etwa für die Publishing Branche.

Die beiden größten Gatekeeper im Bereich der digitalen Werbung sind mittlerweile Plattformen: Facebook und Google. Bevor auch nur ein einziger Euro in den Kassen der Verlage oder Content-Anbieter landet, haben die beiden US-Konzerne laut aktuellem Meeker-Report bereits 85 Cent davon vereinnahmt. Die Reaktion der deutschen Publisher: Sie formen eine Allianz und poolen ihre User-Daten bei der Telekom-Tochter Emetriq. Auf diese Weise will man den Big Four die Macht über die Verlags-Daten entreißen und die Attraktivität der eigenen Advertising-Modelle sichern.

Derartige Konstellationen, bei denen sich klassische Unternehmen in ihrem Geschäftsmodell unmittelbar bedroht sehen, gibt es mittlerweile zuhauf. Uber hat die Taxi-Industrie bis ins Mark erschüttert, airbnb fügt der Hotellerie massive Verluste zu, und dank Spotify & Co. befindet sich auch die Musikbranche inmitten eines riesigen Umbruchs.

Und um auf das Eingangsbeispiel zurückzukommen: Auch in der Gastronomie tut sich einiges. Aktuell bieten die beiden Startups Deliveroo und Foodora in Deutschland einen Lieferservice für Essen aus Restaurants. Und eine ganze Reihe an Gastronomen nimmt bereits Teil. Laut ZEIT Online nutzen 2.000 Restaurants in Deutschland die Dienste von Foodora – zum stolzen Preis von 30 Prozent Provision pro Bestellung. Wer weiß, wie in der Gastronomie kalkuliert wird, der kann seine Skepsis an der Nachhaltigkeit solcher Partnerschaften nicht verhehlen.

Moment. 30 Prozent Provision? Das kommt einem doch bekannt vor. Die App-Economy ist mit dieser Provisionshöhe bestens vertraut, da Apple in seinem App-Store seit jeher diesen Anteil von den App-Entwicklern und -Betreibern einbehält. Das ist übrigens einer der Gründe dafür, weshalb sich mit Apps bis auf wenige Ausnahmen kaum Geschäft machen lässt. Im Falle der Lieferdienste verhält es sich vermutlich in naher Zukunft ähnlich.

Was einen unweigerlich zu der Frage bringt, welches Geschäftsmodell das der Plattformen ablösen wird. Denn der Plattform-Kapitalismus einer Sharing Economy – in Anlehnung an Sascha Lobo –  neigt sich dann seinem Ende, wenn er bestimmte Marktteilnehmer signifikant benachteiligt. Es ist eigentlich wie in einer funktionierenden Familie: Alle Beteiligten müssen sich mit der jeweiligen Konstellation wohlfühlen: Eltern und Kinder. Im Falle der Beziehung von Marktteilnehmern ist es etwas komplizierter, da es verschiedene Stakeholder-Perspektiven zu beachten gilt.

Über die verschiedenen Stakeholder im Bereich Food habe ich schon einmal ausführlicher geschrieben. Hier führt die spannungsgeladene Symbiose von Nahrungsmittel-Herstellern und dem Lebensmittel-Einzelhandel zu zum Teil abenteuerlichen Abhängigkeitsbehältnissen – mit schwerwiegenden Folgen für Produzenten, wie etwa Landwirte oder Verbraucher. Hier sind die Gatekeeper zumindest in Deutschland zwar noch einigermaßen unangetastet, doch Mega-Fusionen, wie zwischen Kaisers/Tengelmann und Edeka, oder der bevorstehende Start von amazon fresh werden auch in diesem Bereich für reichlich disruptive Veränderung sorgen.

Bei einem Verlag bzw. Medienhaus spielen, blendet man einmal die Gesellschaft als Ganzes aus, mindestens folgende Interessengruppen eine Rolle: der Verlag und dessen Shareholder, die Mitarbeiter bzw. die freien Content-Produzenten und die Nutzer bzw. Leser. Durch die Plattformen oder Intermediäre ist dieses Gleichgewicht einigermaßen durcheinander geraten, das alte (Gatekeeper-)Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr.

Die Abhängigkeit von den Plattform-Anbietern hat in manchen Branchen ein Maß erreicht, das auch die neuen Konstellationen schon bald auf den Prüfstand stellen wird. Wenn für journalistische Angebote die Präsenz in den Timelines von Facebook und den SERPs von Google überlebenswichtig werden – und genau das ist der Fall -, dann haben sich die Machtverhältnisse endgültig (und wohl auch irreversibel) verändert.

Doch auch der wichtigste Stakeholder, nämlich der Nutzer selbst, ist von einer gewissen Entfremdung gegenüber den Anbietern betroffen. So schrieb der Start-up-Gründer Tariq Krim in einem Gastbeitrag für ZEIT Online: „Die Megaplattformen sind McDonald’s für unsere Köpfe.“ Er beklagt den Kontrollverlust angesichts algorithmisch gesteuerter Angebote und moniert die Unmöglichkeit der Entschleunigung.

Und auch die vermeintlich neuen Mächtigen können sich nicht in Sicherheit wiegen. Schon gibt es neue Bedrohungen, und diesmal sind die Platform-Betreiber die Gejagten. Um die ganz neuen Herausforderer zu verstehen, hilft ein Blick in den FinTech-Bereich.

Jahrhundertelang waren Banken geradezu prototypische Gatekeeper. Die Einstiegshürde für potenzielle Herausforderer lag einfach zu hoch. Weder waren Letztere in der Lage die technischen und rechtlichen Herausforderungen zu meistern, noch stellten ausreichende Verbreitung oder Aufbau von Vertrauen lösbare Aufgaben dar. All dies hat sich spätestens seit der Blockchain geändert. Wie dramatisch, das erklärt Don Tapscott im brand eins Interview am Beispiel von Western Union eindrucksvoll.

„Eine philippinische Haushaltshilfe, die in Toronto lebt und ihr Erspartes auf die Philippinen schickt, muss dafür viel Aufwand betreiben. Sie kriegt einen Scheck, löst ihn bei einer Bank ein, nimmt einen Bus zu einem Einkaufszentrum und geht dort zu einer Filiale von Western Union. Sie überweist ein paar hundert Dollar und zahlt dafür eine Gebühr von ungefähr zehn Prozent. Das alles dauert mehrere Stunden, in denen sie entweder arbeiten oder zumindest zu Hause sein könnte. Und dann dauert es auch noch vier bis sieben Tage, bis das Geld in Manila ankommt. Vor vier Monaten probierte die Frau eine Alternative aus: Sie überwies ihr Erspartes per Handy mit einer App namens Abra. Dabei handelt es sich um ein Blockchain-Programm, mit dem das Geld binnen Millisekunden auf dem Handy ihrer Mutter in Manila eingeht. Die sucht sich dann einen Auszahler in der Stadt, der in der Nähe ist und dem andere Kunden vertrauen. So kriegt sie das Bargeld innerhalb von ein paar Minuten, und alles kostet nur ein Prozent Gebühren. Für Western Union ist das keine gute Nachricht. Für die Start-ups, die auf die Technik setzen, schon.“

Und das ist erst der Anfang. Im Text zum zitierten Interview nennen die brand eins Autoren folgende potenzielle Anwendungsfelder für die Blockchain:

  • internationalerZahlungsverkehr
  • Aktienhandel
  • Onlinemarktplätze
  • Grundbuchregister
  • Echtheitszertifikate (zum Beispiel von Gold und Diamanten)
  • Lieferkettenkontrolle bei Lebensmitteln
  • Rechtemanagement von Musik und Kunst
  • Abrechnungsprotokolle im Internet der Dinge

Ist die Blockchain also das next big thing nach der Disruption durch Plattform-Anbieter? Die Technologie scheint jedenfalls einiges zurückzubringen, was bereits verloren schien. Die Datenhoheit läge wieder beim Individuum, und auch die Themen Sicherheit und Transparenz klingen zunächst einmal verlockend. Es wäre zumindest wünschenswert, wenn die Macht der Big Four (Facebook, Google, amazon, Apple) ein gewisses Gegengewicht bekäme. In gewisser Weise wäre das ja eine Art Neuanfang für digitale Geschäftsmodelle, die auf anderen Grundlagen basieren als die der genannten US-Konzerne. Ob Algorithmen am Ende des Tages demokratischer sind als Startups aus dem Silicon Valley, das muss die Zeit ans Licht bringen.

Quo vadis Newsroom? Die Macht der Timelines und das Dilemma der Publisher

Ausgerechnet BuzzFeed hatte vor ziemlich genau einem Jahr den Innovation Report der New York Times geleakt. Für mich persönlich war das der bis dahin spannendste direkte Einblick in die Bemühungen eines traditionellen Medienriesen – in diesem Fall aus dem Print-Bereich – sich neuen Rahmenbedingungen anzupassen. Diese Anpassung wird meist unter dem Begriff Digitale Transformation subsummiert (was ich nach wie vor für wenig zielführend halte).

Tradition beim Geschäftsmodell

Im Falle der NYTimes hat man sich quasi an die Spitze der Paywall-Bewegung gesetzt und somit einen veritablen Showcase für eine zutiefst verunsicherte Branche geliefert. Der Impuls dazu entsprang der schieren Erkenntnis, dass Anzeigenerlöse allein das Delta nicht würden ausgleichen können, das durch die schrumpfende Print-Leserschaft entstanden war – und weiterhin entstehen wird. Statt dessen setzt man, auch mangels Alternative, auf die traditionellste Art der Einnahme-Generierung: Der Leser soll zahlen.

Die ersten Ergebnisse, die im Innovation Report nachzulesen sind, stimmten dabei durchaus optimistisch. Doch sogar die Autoren des Reports selbst, also die Mitarbeiter der NYTimes, mussten einräumen, dass die Möglichkeiten einer Paywall begrenzt seien und selbst optimistische Prognosen die Erkenntnis beinhalten, dass der mächtige Newsroom des Unternehmens mittel- bis langfristig dadurch nicht zu finanzieren sein werde.

Nur: Wenn dies nicht einmal der NYTimes gelingt, wer bleibt dann noch übrig den Kampf gegen BuzzFeed, VICE und Co., vor allem aber gegen Facebook und Google aufzunehmen? Die Antwort lautet: vermutlich niemand. Zumindest nicht unter den bisherigen Gegebenheiten, wo Content-Produzenten und Publisher gegen Player antreten müssen, deren Finanzierung und Nutzung völlig anderen Parametern unterliegt, als dies bei den Medienunternehmen selbst der Fall ist.

Verschiebung der Machtverhältnisse

Was mir bei der Betrachtung publizistischer Geschäftsmodelle unter dem Aspekt Innovation, Zukunftsfähigkeit und Wertschöpfung die Augen geöffnet hat, ist die so genannte Smiling Curve), über die Ben Thompson im vergangenen Herbst bei stratechery geschrieben hatte. In dieser einfachen Darstellung offenbart sich das große Dilemma der Verlage und Medienunternehmen. Deutlicher konnte man selten sehen, wohin sich die Macht im Medienzirkus verschoben hat, und wohin sich die Wertschöpfung mehr und mehr verlagert.

The Smiling Curve for Publishing

(Fotonachweis: Quelle)

Kaum hatten die Publisher ihre Gatekeeper-Position eingebüßt, gerieten sie in schwere See; und zwar in die Abhängigkeit von Facebook und anderen Timeline-orientierten Entitäten, aus der sie schwerlich wieder herauskommen werden (an anderer Stelle ging ich auf diese Abhängigkeit bereits detailliert ein). Zumal sich diese Abhängigkeit aktuell zementiert. Neben BuzzFeed und der NYTimes arbeitet Facebook mit weiteren ausgewählten News-Organisationen zusammen, die ihre Inhalte z.T. komplett bei Facebook stattfinden lassen, anstatt, wie bisher, zu verlinken. Die Beurteilung, ob dies der finale Sündenfall der Content-Produzenten ist, überlasse ich gerne anderen.

Gretchenfrage des Journalismus

Fest steht jedoch, dass sich dadurch eine ganze Reihe weiterer Probleme ergeben. Trevor Timm erläutert dies in seinem Artikel: Nicht nur verkaufen die Publisher ihre (Content-)Seele und liefern sich den Unwägbarkeiten von z.T. willkürlichen Algorithmus-Änderungen seitens Facebook aus; viel schlimmer wiegt die neue Macht des Social Networks:

„the right to chose between the free expression of ideas or to instead impose censorship when it deems content unworthy. That should worry the public, because when given that power in the past, Facebook has ruled with an iron fist.“

Grund genug für einen neuen Branchen-Pessimismus? Der Journalist Richard Gutjahr äußert sich jedenfalls wenig optimistisch zur Zukunft des Journalismus. In einem Video-Interview mit Ingrid Brodnig macht er seiner Branche wenig Hoffnung gegen die aktuellen Entwicklungen bestehen zu können. Selbst die so oft herangezogene Argumentation, Journalisten könnten News einordnen, sei längst nicht mehr haltbar.

Was bedeutet das alles? Wird es zukünftig noch viele News-Websites geben? Oder ist der Content-Stream das (vorläufige) Ende der Entwicklung? Klar ist, dass der Ort, an dem Inhalte jeglicher Art zukünftig konsumiert werden, von entscheidender Bedeutung ist. Gleichzeitig wird das Device zur Nebensache. Letzteres erkennt auch Tom Standage, stellvertretender Chefredakteur des Economist, in einem sehr lesenswerten Interview mit Joseph Lichterman an, wenn er betont „print is just another device“.

„Bewältigbarkeit“ als Wettbewerbsvorteil

Standage geht auf ein Hauptziel des Economist ein, das „desert-island magazine“ sein möchte. Er meint damit, dass man stets zum Ziel habe eine Art endliches Informations-Quantum zur Verfügung zu stellen; also genau die Menge und Tiefe an Inhalt, die der Rezipient verarbeiten kann um sich maximal informiert zu fühlen. In diese Strategie passe The Economist Espresso, das tägliche, für Nicht-Abonnenten kostenpflichtige Briefing des Economist zu bestimmten Themen, in dem man aus Gründen der Fokussierung u.a. auf weiterführende Links verzichte. Der Dienst, der als App verfügbar ist, macht sich das Defizit der Informationsfülle zu Nutzen:

„The “you’ve got to the end and now you’ve got permission to go do something else” is something you never get. You can never finish the Internet, you can never finish Twitter, and you can never really finish The New York Times, to be honest.“

Mitten in der Abhängigkeitsfalle

Wenn Facebook zum Content Management System für Publisher wird, das deren Inhalte dank überlegener Technologie deutlich besser monetarisiert als die Publisher selbst, dann schlägt das Pendel publizistischer Geschäftsmodelle bereits in eine ganz bestimmte Richtung. Die Frage wird sein, was alte und von allem neue Marktteilnehmer dem entgegenzusetzen haben. Das Modell einer Stiftung zur Finanzierung von Journalismus, wie etwa beim Guardian, mag nahe liegen, ist jedoch kaum eine Lösung für mehr als eine Handvoll der Marktteilnehmer.

Wie man es dreht oder wendet, die Macht liegt heute bei denjenigen Playern im Markt, die für zwei essenzielle Voraussetzungen erfolgreicher Publikationen sorgen: Distribution und Discoverability. Der Content selbst, bzw. dessen Herkunft, wird dabei mehr und mehr zur Nebensache; es gibt schlicht zu viele ausreichend gute Produzenten von Inhalten. Und wenn man die Entwicklung des so genannten „Roboter-Journalismus“ zu Ende denkt, könnte einem tatsächlich Angst und Bange um einen ganzen Berufsstand werden.

Zukünftig wird es also entscheidend sein ein hohes Maß an Unabhängigkeit von den Content Distributoren zu besitzen, exzellente, bedarfsorientierte Inhalte liefern zu können und gleichzeitig mit einem Geschäftsmodell aufzuwarten, das in der Lage ist auch jenseits von Paywall und Advertising Werte zu schaffen und zu schöpfen. Man darf gespannt sein, welche neuen Geschäftsmodelle und Finanzierungs-Synergien vor diesem Hintergrund entstehen werden.

Facebook-Teufelskreis: von der Timeline-Abhängigkeit der Publisher

Es klang so verlockend: Die Sozialen Medien sollten der Ausweg für die Publisher aus der Abhängigkeit von Google sein. Neben SEO tat sich plötzlich eine neue Traffic-Quelle auf und es wurden Teams installiert um diese Kanäle mit passendem Content zu befüttern. Was dabei anfangs kaum jemand bemerkt hat: Die Abhängigkeit von Facebook ist noch viel perfider als jene von mehr oder weniger transparenten Such-Algorithmen, denn diese Abhängigkeit setzt von Anfang an auf Ausbeutung.

Zu Beginn präsentierte sich Facebook den Medienmarken als schier unerschöpfliches Reservoir an neuen Leser- und Nutzergruppen. Beim Aufbau von Marken-Communitys signalisierte man große Unterstützung, forderte auf Publisher-Seite aber auch entsprechende Manpower und vor allem passende Inhalte in ausreichender Frequenz.

Diese Inhalte werden inzwischen in unseren Timelines bevorzugt behandelt, sprich: vorrangig vor den Postings unserer Freunde angezeigt. Facebook tut dies natürlich nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, sondern auch um Abhängigkeiten zu fördern. Je mehr Traffic ein Anbieter über Facebook generiert, desto mehr Inhalte muss er dort auch bereitstellen. Und die Produktion von Content ist teuer, während die Monetarisierung der eigenen Inhalte nicht in gleichem Maße skaliert. Spätestens jetzt merkt der Letzte, wer hier von wem profitiert.

Geradezu absurd wird es aber, wenn diejenige Marke, die maßgeblich dazu beigetragen hat ihre eigene Facebook-Community aufzubauen, urplötzlich nicht mehr mit ihren eigenen Mitgliedern in Kontakt treten kann, weil Facebook die Sichtbarkeit (auf 1/16) beschränkt hat. Doch halt, sie kann diese ja noch kontaktieren: indem sie dafür bezahlt. Ein solches Maß an Abhängigkeit und Ausbeutung war seit der Leibeigenschaft im Mittelalter nicht mehr derart offensichtlich.

Doch damit nicht genug. Facebook fordert beispielsweise von Video-Produzenten ein bestimmtes Format. Das Ziel: Die Videos sollen möglichst in der Facebook-Timeline stattfinden (indem sie automatisch anlaufen), so dass die eigentliche Web-Präsenz des Publishers nahezu überflüssig wird. Und die Krönung ist: Facebook vermarktet den Publisher-Content selbst: an die gleichen Werbekunden, aber mit viel mehr zur Verfügung stehenden Kundendaten. Angeschmiert, lieber Publisher, und zwar gleich mehrfach.

Und nun wurde ein Forschungsprojekt der TU Darmstadt und der TU Dresden veröffentlicht, das in einer Langzeitstudie die Nachrichtenverbreitung in den Social Media untersucht hat. Facebook habe laut Studie quasi ein Monopol bei der Nachrichtenweitergabe.

Problem erkannt? Fein. Doch was nun? Welche Strategie bleibt für ein journalistisches Projekt übrig, wenn Facebook und Co. die Publisher nurmehr als Timeline-Futter verfrühstücken? Muss ich als Medienhaus das Thema Facebook-Relevanz im Blick behalten und weiterhin alles dafür tun, dass meine Inhalte geteilt, geliket und getwittert werden? Oder müssen wir vielmehr zusehen, dass unser teuer produzierter Content so einzigartig und relevant wird, dass Facebook nicht zum Hauptverbreitungsweg wird und wir uns kollektiv vom Timeline-Tropf lösen können?

Aktuell ist das Thema Dark Social in aller Munde, also z.B. die Traffic-Quelle WhatsApp, über die wenig bis keine Daten zur Auswertung vorliegen. Ist das eine Alternative zum beschriebenen Abhängigkeits-Szenario oder nur der Einstieg in einen neuen Teufelskreis? Auch hier müssten die Publisher wieder Teams mit entsprechender Expertise aufbauen, da diese Netzwerke nach wieder anderen Regeln funktionieren. Bleiben wir gespannt.

Reminder: Einige der beschriebenen Zusammenhänge entstammen dem großartigen Vortrag „The Four Horsemen: Amazon, Apple, Facebook & Google. Who Wins/Loses.“ von Scott Galloway während der DLD Conference.

Der Berg muss zum Propheten – über Missverständnisse in der Zeitungsbranche

Ich bin ein großer Anhänger des Zeitungslesens. Insbesondere FAZ und SZ haben es mir angetan, und mein Favorit ist die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Ich spreche von der Printausgabe. Die gibt mir nämlich etwas, was mir kein digitales Pendant bieten kann: Endlichkeit. 

Print hilft!

Debatten darüber, was Print alles falsch gemacht hat und noch heute falsch macht, gibt es zuhauf; an einigen davon habe ich mich auch beteiligt. Aber das Gefühl, dass es über den Informationsgrad eines Artikels hinaus erst einmal keine weitere Meta-Ebene oder Vertiefung des Sachverhalts gibt (und geben muss), kann mir nur die Printausgabe einer Zeitung vermitteln. Und dieses Gefühl ist in Zeiten wie diesen unendlich wertvoll.

Im digitalen Kosmos komme ich vom Hölzchen aufs Stöckchen. Und genau das ist Teil meines Problems. Ich tue mich mitunter sehr schwer bei einer Sache zu bleiben. Multitasking ist der Euphemismus für meine Spätform von ADS. Und genau hier zwingt mich die Tages- oder Wochenzeitung zur Disziplin und entbindet mich gleichzeitig von der Pflicht zum informationellen Tiefgang. 

Am Anfang war… nicht die Zeitung

Selbstverständlich ist dieser Vorteil auch gleichzeitig einer der großen Nachteile der gedruckten Zeitung. Es fehlt ein Rezeptions- und Diskussionsraum. Dieses Manko wurde inzwischen z.T. ausgeglichen durch Dienste wie Twitter und (eingeschränkt) Facebook. „Second Screen“ wird das Phänomen auch genannt. Doch vor allem auf Twitter offenbaren sich die enormen Missverständnisse eines Großteils der Print-Journalisten (und Publizisten) in Bezug auf den digitalen Diskurs.

So halte ich es für den Kardinalfehler vieler Medienschaffender aus dem Zeitungsumfeld, anzunehmen, die Zeitung und deren Lektüre sei quasi die Initialhandlung des Medienkonsums. Diese Einschätzung entstammt einer linearen Prägung, und diese ist bedingt durch die Produktionsprozesse der Zeitungs-Industrie. Mit der Drucklegung endet die eigene Verantwortlichkeit. Im digitalen Medienumfeld ist der Live-Gang jedoch zumeist erst der Beginn von Wertschöpfung und Diskurs.

Paywall als Hindernis 

Doch im Print-Umfeld werden diese Prozesse, wie zum Beispiel die Eröffnung eines Diskussionsraums, durch Paywalls erschwert oder völlig ausgeschlossen. Wie oft ist es mir schon passiert, dass ich einen tollen Printartikel auf Twitter empfohlen habe, nur um mich anschließend zu fragen, wozu das eigentlich gut gewesen sein sollte. Niemand hat in diesem Moment (einfachen) Zugang zu eben jenem Artikel. Twitter ist ein Kanal der Unmittelbarkeit. Dies schließt i.d.R. aus, dass jemand aufgrund meines Tweets zum Kiosk läuft, die Printausgabe kauft, den Artikel liest und mir auch noch antwortet.

Einige der Autor_innen und Journalist_innen sehen genau darin einen Erfolg, anders kann ich mir solche Äußerungen nicht erklären.

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Nachfragen meinerseits (und anderer) werden zumeist geflissentlich ignoriert, Dialog: Fehlanzeige.

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Wer lesen will, soll zahlen 

Doch genau hier entsteht eines der größten Missverständnisse bezüglich der zukünftigen Rezeption von Printmedien. Es wurde (und wird) versäumt einen „Diskurs-Raum“ für Zeitungen zu entwickeln. Statt die Hürden für den unmittelbaren Zugang zu einzelnen Texten abzubauen und dem Thema Usability und UX höchste Priorität einzuräumen, wurden und werden Paywalls errichtet. 

Statt dafür Sorge zu tragen, dass das Interesse an Themen und Einzelartikeln in sofortigen  , intuitiven Zugang zu diesen Texten münden kann, versucht man Upselling (nämlich: Kauf der gesamten Ausgabe, am besten Print) an der unsinnigsten Stele überhaupt. Und statt den Dialograum zu erweitern, senden einzelne Autor_innen beinahe hämische Parolen nach dem Motto „Wer lesen will, soll zahlen!“.

Der Text muss zum Leser

Es geht um die Inszenierung von Tages- und Wochenzeitungen. Doch so lange die Meinung vorherrscht, eben jene Zeitungen stünden immer an der Spitze der medialen Nahrungskette, ist es schwer einen (dringend nötigen) Perspektivenwandel einzuläuten. Das Grundverständnis ist falsch, die Annahmen daher untauglich für einen Turnaround. Dabei ist das gar nicht so schwer. Erst, wenn ich sicherstelle, dass jeder, wirklich jeder, der ein auch nur entferntes Interesse an einem Text aus meinem Hause hat, diesen auch bekommt, kann ich von echtem Service am Leser sprechen. Paywall ja, aber nicht so.

Der erwähnte Diskussionsraum ist übrigens nicht (nur) die Website der eigenen Publikation. Sie kann dies sein, doch entscheidend ist hier die individuelle Präferenz jedes Einzelnen. Ich muss meine Inhalte zum Rezipienten bringen, nicht umgekehrt. Erst, wenn diese Demut Einzug in Redaktionen und Marketing-Abteilungen gehalten hat, kann die Zukunft der Leser-Blatt-Beziehung erfolgreich beginnen.

Über Qualitätsjournalisten und Geschäftsmodelle im Publishing: It’s not (just) the economy, stupid!

Vor Kurzem wurde ein interner Innovations-Bericht der New York Times an Buzzfeed geleakt. Darin finden sich laut Mathew Ingram faszinierende Einblicke in die Schwierigkeiten eines Medienunternehmens angesichts der Herausforderungen durch die (v.a. digitale) Welt. Ingram zitiert in diesem Zusammenhang den Medienanalysten Thomas Baekdal, der die Problematik auf das grundsätzliche Verständnis von Journalismus ausweitet. Baekdal stellt unangenehme Fragen:

„If The NYT is ‚winning at journalism‚, why is its readership falling significantly? If their daily report is smart and engaging, why are they failing to get its journalism to its readers? If its product is ‚the world’s best journalism‚, why does it have a problem growing its audience?“

Baekdal bezeichnet Zeitungen als „Supermärkte des Journalismus“ und folgert daraus, dass diese dadurch denselben Schwierigkeiten unterliegen wie die Tescos und Walmarts: Emotionale Bindung an die Marke ist schwierig bis unmöglich, allein das Gesamtpaket des Angebots sorge für Relevanz und damit Nachfrage. Und hier sind wir mitten in der Marktwirtschaft.

Ich finde Baekdals Argumentation interessant, aber zugleich sehr problematisch. Denn er fordert (wie die meisten anderen auch) eine Orientierung des Publishing Business’ am Markt. Doch wie sieht dieser Markt eigentlich aus?

Wenn Medien und wenn Journalismus die noch immer beschworene vierte Macht im Staat sind, ist „der Markt“ dann überhaupt der richtige Bezugspunkt? Liegt nicht genau hier das Problem? Die angestammten drei Mächte des Staates müssen sich schließlich weniger an Märkten als an politischen Prozessen orientieren – auch wenn die Kanzlerin gerne von „marktkonformer Demokratie“ spricht.

Braucht (Qualitäts-)Journalismus also überhaupt ein Geschäftsmodell? Ich fühle mich durch die Diskussion an einen Vorschlag erinnert, der im Rahmen der Schließung der Financial Times Deutschland durch Gruner + Jahr Ende 2012 aufkam. Ich fand die Idee sehr naheliegend, dass z.B. die Bertelsmann Stiftung im Zuge ihres Stiftungsauftrags als Herausgeber einer landesweiten Tageszeitung (hier: der FTD) auftreten solle. Man könne auf diese Weise Journalismus von jeglichen Geschäftsmodellen entkoppeln und so eine größtmögliche Unabhängigkeit journalistischen Arbeitens erreichen. Leider kam es im Falle der FTD nicht mehr dazu, aber als Modell halte ich eine solche Variante für hochattraktiv.

In der aktuellem Diskussion um Journalismus würde ich aber noch einen Schritt weitergehen: hin zu Denjenigen nämlich, die den von Mathew Ingram und anderen in Frage gestellten Qualitätsjournalismus produzieren bzw. produzieren sollten: den JournalistInnen selbst.

Gibt es eine zeitgemäße, vielleicht sogar digitale Entsprechung des Bildes vom Elfenbeinturm? Wenn ja: Es säßen vermutlich viele Journalisten (oder deren Avatare) darin. Und vor allem blieben nahezu alle Nicht-Journalisten außen vor. Denn eines ist dem Berufsstand des Journalisten häufig immanent: ein gewisser Hang zum Standesdünkel und zur Exklusivität im Diskurs. Die Debatte um das Funding der #Krautreporter hat einmal mehr deutlich werden lassen, wer mit welcher Selbstverständlichkeit und qua Ausbildung die Deutungshoheit für dich beansprucht.

Doch damit nicht genug. Nicht nur zwischen Journalisten und Nicht-Journalisten gibt es Befindlichkeiten, auch zwischen vielen Journalisten selbst läuft es mitunter nicht besonders reibungslos. Die mediale Demarkationslinie verläuft dabei quer durch alle Redaktionen; und die Protagonisten, die eigentlich die Treiber von Veränderung und Innovation sein sollten, verschanzen sich im analogen oder digitalen Schützengraben.

Meine (ketzerische?) Frage lautet: Wenn es schon unter den Journalisten selbst nicht immer einfach ist und wenn Journalisten sich häufig mehr als deutlich von Nicht-Journalisten abgrenzen: Wie muss es da erst um das Verhältnis von Journalisten zu ihrem Publikum bestellt sein?

Fakt ist: Es ist nicht immer einfach und oft schmerzhaft sich mit den Bedürfnissen der eigenen Leserschaft auseinanderzusetzen. Wenn man dies tut, bewegt man sich nämlich ganz plötzlich außerhalb des Wolkenkuckucksheims namens Marktforschung. Wunsch-Zielgruppe trifft auf Realität. Es gibt sie eben nicht: „den FAZ-Leser“ oder „die NYT-Userin“. Auch Personas bringen einen hier nur bedingt weiter.

Dabei würde ein intensiver (und vor allem ehrlicher) Blick auf die Nutzung des bereitgestellten Contents schon so sehr weiterhelfen. Womit erzielt spiegel.de einen Großteil seines Traffics? Mit Sportnachrichten, vor allem Fußball. Was läuft sonst noch gut? Nein, nicht Feuilleton oder Wirtschaft, sondern Panorama. Das will im Sales natürlich keiner hören. Und das Problem sitzt viel tiefer.

Traditionelle Medienmarken haben ihre einstige Strahlkraft längst eingebüßt. Sie sind nicht mehr im „relevant set“ der (nachwachsenden) Leser. Unter welchen Marken Inhalte veröffentlicht werden, wird oft zur Nebensache. Medienmarken müssen daher ihre eigentlichen Rollen und Aufgaben hinterfragen. Sie können interessanten Content bündeln, kuratieren, aufbereiten („Supermärkte“, s.o.) – aber „Gate-keeper“ sind sie längst nicht mehr. Wenn sie ihren Rollenwandel nicht begreifen, annehmen und aktiv gestalten, dann verpassen sie auch eine große Chance.

Im Wandel liegt für Medienunternehmen, die schon immer auf exzellenten Content und guten Journalismus gesetzt haben, nämlich auch enormes Potenzial. Menschen werden sich immer für gute Inhalte interessieren, es reicht jedoch bei weitem nicht aus diese Inhalte nur auf neuen Wegen zum Leser zu transportieren. Weder ein iPad noch neue Generationen von Smartphones oder Experimente wie Google Glass werden die Verlage retten, wenn diese nicht begreifen, dass sich der gesamte publizistische Prozess in seine Bestandteile aufgelöst und völlig neu zusammengesetzt hat.

Zusammenfassend heißt das: Bei der Diskussion um Qualitätsjournalisten muss es auch um die Journalisten, um deren Selbstverständnis und um ihre Bereitschaft zu „Demut vor dem Publikum“ gehen. „Der Markt“ ist für Medien und Journalismus u.U. nicht immer der einzige Bezugspunkt, andere Finanzierungsmodelle (z.B. Stiftungen) müssen geprüft werden. Und der Auftrag von Journalismus ist mehrschichtig: Bedürfnisbefriedigung, Einordnung, Unterhaltung, Agenda Setting sind einige der entscheidenden Parameter. Es bleibt eine spannende Diskussion und ich würde mich freuen auch als Nicht-Journalist mitdiskutieren zu dürfen.