Frauen-Förderung: Fehlanzeige. Warum Meritokratie in Unternehmen ein gefährlicher Irrtum ist

Dieser Text erschien zunächst als Gastbeitrag für die Initiative Leader.In. Das Businessnetzwerk Leader.In wurde von Deloitte, dem BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) und dem Medienpartner Handelsblatt ins Leben gerufen.

Mann oder Frau: Nur wer Leistung erbringt, effizient und tüchtig ist, wird auserwählt und macht Karriere. Ein fatales, dämliches und ungerechtes Prinzip im Business-Alltag, findet Robert Franken. Der Feminist räumt auf.

Vieles im Business-Alltag hat mit Reflexen zu tun. Manche davon sind uns so vertraut, dass wir sie kaum in Frage stellen. Andere wiederum sind so dämlich, dass es uns gar nicht mehr in den Sinn kommt sie zu dekonstruieren. Mein Lieblingsbeispiel aus der letzten Kategorie ist die größtenteils aus der männlichen Ecke stammende Reaktion auf die Diskussion um Vielfalt und Frauenquote.

Leistung statt Quote

„In unserem Unternehmen zählt nicht das Geschlecht, sondern einzig und allein die Leistung“, heißt es beinahe unisono, wenn man(n) seine Ablehnung einer Quotierung zum Ausdruck bringen möchte ohne den vermeintlich politisch korrekten Pfad zu verlassen. Und bereits an dieser Stelle möchte ich den großen, roten Buzzer auspacken und mit dem von Herzen kommenden Ausruf „Bullshit!“ feste draufhauen. Denn was hier so schön fair und modern klingt, ist letztlich nichts anderes, als das Festhalten an Jahrzehnte alten Diskriminierungs-Mechanismen. 

Derartige Aussagen, die stets das Prinzip einer Meritokratie propagieren, in der man durch die objektiv beurteilte eigene Leistung vorankommen und Karriere machen kann, sind ein herber Schlag ins Gesicht all der Frauen, deren Nasen und Stirnpartien sowieso schon dauergerötet sind von empfindlichen Kollisionen mit gläsernen Decken und dergleichen. Ich möchte das an einem Beispiel näher erläutern.

Talentförderung: Fehlanzeige

Es stammt aus der Diskussion um die Gerechtigkeit von Bildungssystemen; beziehungsweise natürlich die Ungerechtigkeit in diesem Bereich. Es handelt sich um eine Karikatur des Status Quo.

Die Szene spielt in freier Wildbahn, im Hintergrund: ein Baum. Aufgereiht zu einer fiktiven Prüfung sind: ein Affe, ein Pinguin, ein Elefant, ein Goldfisch, eine Robbe und ein Wolf. Vor den Prüflingen sitzt, an einem Schreibtisch, der Prüfer. Er teilt den versammelten Tieren mit: „For a fair selection, everybody has to take the same exam: Please climb that tree.“

Natürlich ist jedem sofort klar, dass diese Prüfungsaufgabe lediglich einem der Prüflinge zupass kommt: dem Affen. Und genau so verhält es sich mit unserem Bildungssystem, sowie, im übertragenen Sinne, mit dem Argument meritokratischer Gerechtigkeit in Sachen Leistungsbeurteilung in Unternehmen. Der Affe ist hier, mit Verlaub, der Mann. Der Goldfisch – in meinem Beispiel etwa stellvertretend für die Frau – wäre einigermaßen überfordert, liegen seine Talente doch ganz woanders.

Das männliche Paradigma

Die traurige Wahrheit lautet: In männlich dominierten Umgebungen haben Frauen schlicht und ergreifend nicht den Hauch einer Chance ihr Können und ihr Potenzial zu entfalten. Diese Systeme und Organisationskulturen sind ausschließlich auf das Fortkommen von Männern ausgerichtet.

So dürfte es etwa einer introvertierten Frau ohne entsprechendes Netzwerk aka Seilschaft und mit einem gewissen Anspruch an ihren eigenen Beitrag zur Familienarbeit nicht unbedingt leicht fallen in einem durchschnittlichen Unternehmen zu reüssieren. Anders sind auch die zahlreichen Ratgeber kaum zu erklären, die mit Titeln wie „Das Arroganz-Prinzip“ oder „Körpersprache für Frauen“ passend zu machen versuchen, was andernfalls aus dem Rahmen fallen würde.

Das mangelnde Problembewusstsein auf männlicher Seite hat übrigens einen ganz einfachen Grund: Männer sehen in der Regel keinen Anlass für Veränderung, weil das System ihnen schlicht und ergreifend ja keine Probleme bereitet. Dass viele dennoch von Chancengleichheit sprechen, ist ebenso absurd wie – in Teilen – nachvollziehbar. Durch den Mangel an Negativ-Erfahrungen mit dem System hat sich bei ihnen kein Bewusstsein herausgebildet.

Andererseits kann auch nicht alles a priori entschuldigt werden, schließlich muss man heutzutage von Führungskräften neben fachlicher Qualifikation ein signifikantes Maß an Empathiefähigkeit und Sensibilität erwarten können. Doch ausgerechnet hier wird es verdammt dünn. Stattdessen erneut nur Reflexe.

Teufelskreis mit Ansage

Das große Problem ist, dass die zugrunde liegenden Probleme nicht nur nicht erkannt werden. Sie werden vielmehr potenziert durch den Kardinalfehler der Personalentwicklung. Und der lautet: „fixing the women“. So werden Frauen für das männliche Paradigma passend gemacht: durch Fortbildungen, Ratgeber, Coachings etc. Frauen wird systematisch beigebracht das männliche System zu verstehen und sich diesem anzupassen. Was für ein Alptraum!

Wundert sich angesichts des beschriebenen Dramas noch irgend jemand, dass sich die organisationalen Systeme nicht verändern, sich statt dessen aber die Frauen, je höher sie in der Hierarchieebene nach oben kommen, immer „männlicher“ gerieren? Sie tun das nicht nur, weil sie denken es tun zu müssen, sondern weil es auch tatsächlich so ist.

Die Folgen sind fatal. Der männliche „legacy code“ wird weitergetragen und mehr und mehr auch durch Frauen verkörpert. Die sich daraus entwickelnde Leadership ist nicht dazu geeignet Herausforderungen wie etwa die Digitale Transformation zu meistern. Sie kann ja nicht einmal junge Talente aus der Kohorte der Millennials für sich einnehmen, geschweige denn längerfristig binden. Ein Teufelskreis mit Ansage.

Von Quoten und Menschen

Und ironischerweise befeuert ausgerechnet die Quote, die ein wichtiges politisches Signal ist, auch noch diesen Missstand, indem sie Unternehmen dazu ermutigt sich Frauen in die Aufsichtsräte zu holen, die ihrerseits kein bisschen dazu beitragen werden das System zu verändern. Im Gegenteil, sie manifestieren es.

Nun mögen die Auswirkungen angesichts von lediglich etwa 160 Aufsichtsrätinnen in deutschen Unternehmen vielleicht nicht dramatisch anmuten. Doch ist die damit vermittelte Botschaft umso schlimmer. Sie lautet: Du kannst es als Frau nach oben schaffen, aber der Weg ist und bleibt ein männlicher.

Weitaus schlimmer ist zudem der Effekt auf die gesamte Organisation. Denn wir werden auf diese Weise weiterhin ein System aufrecht erhalten, aus dem Frauen reihenweise ausscheiden, bevor sie auch nur in die Nähe einer gläsernen Decke gelangen. Wer wollte es ihnen auch verdenken?

Warum Frauen gehen

Die Gründe, warum so viele Frauen vor dem Erreichen einer Führungsposition aus den Unternehmen ausscheiden, liegen auf der Hand. Es geht in erster Linie um fehlende Wertschätzung, mangelnde Kommunikation, Intransparenz und Empathie-Mangel. Und um inkompetente Führung, die über Instrumente agiert und statt das individuelle Vorankommen der Mitarbeiterin ausschließlich den Shareholder Value im Blick hat.

Inzwischen ist durch zahllose Studien bewiesen, wie groß der betriebs- und volkswirtschaftliche Schaden durch die Vernachlässigung von Frauen in Unternehmen ist. Dennoch ist die Bereitschaft Unternehmenskulturen zu verändern nach wie vor nicht besonders groß. Einerseits blockieren die männlichen Profiteure in Entscheider-Funktionen aus reinem Kalkül derartige Veränderungen, andererseits kündigen potenzialträchtige Frauen, bevor sie überhaupt eine Position erreichen, die ihnen die Möglichkeit gäbe Change aktiv zu treiben.

Dabei käme eine Veränderung hin zu Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt nicht nur den Frauen, sondern allen Arbeitnehmern zugute. Die Zahl der Männer, die keinerlei Interesse mehr daran verspüren in männlichen Machtkulturen zu arbeiten, nimmt deutlich zu. Die Systeme, von denen wir sprechen, können jedoch nur von Innen verändert werden.

Voraussetzung ist zunächst das Bewusstsein einer komplementären Kraft, die sich im konstruktiven Miteinander von Frauen und Männern entfaltet. Ich nenne sie „Gender Empathy“. Aus dieser Kraft entstehen neue Allianzen, die Unternehmenskulturen nachhaltig verändern helfen. Voraussetzung ist der unbedingte Wille sich nicht dem Status Quo anzupassen, sondern das Thema Wirtschaft, Unternehmen und Karriere aktiv gestalten zu wollen. Ohne Kampf und unbedingte Überzeugung wird es nicht gehen, aber am Ende winkt ein gerechtes Miteinander innerhalb neuer und zukunftsorientierter Organisationskulturen.

 

Dieser Text erschien zunächst als Gastbeitrag für die Initiative Leader.In. Das Businessnetzwerk Leader.In wurde von Deloitte, dem BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) und dem Medienpartner Handelsblatt ins Leben gerufen.

 

 

 

 

6 Gedanken zu “Frauen-Förderung: Fehlanzeige. Warum Meritokratie in Unternehmen ein gefährlicher Irrtum ist

  1. Lieber Herr Franken, Sie sprechen mir sowas von aus der Seele … herzlichen Dank für diesen wunderbaren Artikel. Warum nur sollen Frauen, die Führung übernehmen möchten, fit gemacht werden für die Regeln der männerdominierten Chefetagen? Warum ist es nicht möglich, weibliche und männliche FührungsSTÄRKE parallel zu leben, sich gegenseitig bestmöglich zu ergänzen und damit viel mehr Ressourcen im Unternehmen zu nutzen? Es gibt noch viel zu tun, bis diese Denke in Unternehmen angekommen ist …
    In diesem Monat sind in unserem Blog Frauen das Thema – dürfen wir Sie zitieren?
    Herzliche Grüße
    Christine Kempkes

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