#MeToo und das Schweigen der Männer

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Das Schweigen der Männer (Foto: Kristina Flour bei unsplash.com)

Woody Allen. Roman Polański. Harvey Weinstein. Und kein Ende in Sicht. Jetzt kommt ans Licht, wie ein Hollywood-Produzent jahrzehntelang Frauen sexuell belästigte, bedrängte und vergewaltigte. Und Weinstein ist nur die Spitze der Spitze eines ekelhaften Eisbergs. Unter dem Hashtag #MeToo melden sich viele tausend Frauen* zu Wort und berichten von den schrecklichen Dingen, die ihnen widerfahren sind.

Beziehungsweise: Sie berichten in der Regel gar nicht, sondern schließen sich der Aktion mittels kollektiver Nonmention via Hashtag an. Das ist einerseits ob der schieren Menge an Posts sehr erschreckend, andererseits aber auch kaum greifbar – kann man doch in der Regel nicht hinter die einzelnen „Ich-auchs“ blicken.

Und hier liegt ja durchaus eine Gefahr: Die Erfahrungen werden undifferenziert unter einen Hashtag subsumiert. Dennoch ist das in diesem Fall durchaus legitim, bekommen wir dadurch doch einen Eindruck von der „Alltäglichkeit“ und der schieren Masse der Bedrohung. Hier heiligt der Zweck vermutlich das Mittel.

Und die Männer*? Die schweigen flächendeckend.

Grundsätzlich finde ich es ganz gut, wenn der Aktion auch dadurch Aufmerksamkeit zuteil wird, dass Männer* sich mit Kommentaren zurückhalten. Gerade deshalb, weil auch viele Männer*Opfer sexueller Übergriffe werden. Charles Klymer (Update nach einem Hinweis von Frevilo in den Kommentaren (s.u.) auf diesen Artikel: Meine Auswahl des Zitatgebers war nicht optimal, ich lasse das Zitat aber dennoch stehen.) brachte es in einem Beitrag auf den Punkt, als er schrieb, weshalb Männer sich in diesem Falle zurückhalten sollten:

„I don’t think that’s excluding folks but simply amplifying a specific experience. We should never shy away from taking a step back and amplifying.“

Ich fürchte jedoch, dass das Schweigen der Männer nicht nur mit Rücksichtnahme zu tun hat. Es dürfte mehrere Gründe dafür geben, dass es wieder einmal die Frauen sind, die das Thema öffentlich machen, das für so viele Alltag ist: Sexismus, sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen. Es ist erschreckend, wie häufig #MeToo alleine in meiner Timeline auftaucht. Und: Nur die Männer scheint das noch zu überraschen.

Teil des Problems

Zurückhaltung bei diesem Thema kann auch andere Gründe haben. Sehr viele Männer sind sich nach wie vor nicht dessen bewusst, dass sie auch dann Teil des Problems sind, wenn die Taten nicht von ihnen selbst ausgehen. Indem sie wegsehen, wenn andere übergriffig sind, schaffen sie den Nährboden für Sexismus und sexuelle Gewalt. So hart, so einfach ist das.

Ein „System Weinstein“, wenn man so euphemistisch von einem solchen überhaupt sprechen darf, ist nur möglich durch die vielen Menschen, die trotz besseren Wissens nicht den Mund aufgemacht haben. Und wer jetzt meint anmerken zu müssen, dass ja auch die Frauen geschwiegen hätten: Genau das ist das Problem. Frauen sind in diesem Falle – und ich bin ansonsten sehr vorsichtig mit diesen Begrifflichkeiten – die Opfer solcher „Raubtiere“, als die Emma Thompson die Weinsteins dieser Erde ganz richtig bezeichnet hat:

Die Täter hingegen können nur deshalb so ungestraft agieren, weil sie von einer schweigenden Masse gedeckt wurden. Männer treten stets dann in Komplizenschaft, wenn sie sich nicht vehement und hörbar gegen jede Art von Übergriffen und Sexismus stellen. Doch davon sind wir weit entfernt, im Gegenteil: Noch immer verharmlosen viele Männer (und auch manche Frau) das Thema Sexismus und seine Folgen. Das ist der eigentliche Skandal, dessen Auswirkungen uns gerade so schmerzhaft vor Augen geführt werden.

Wo fängt es an?

Erst kürzlich bekam der englische Begriff des „Catcalling“ durch eine mutige Aktion der Niederländerin Noa Jansma auch hierzulande Aufmerksamkeit. Jansma hatte auf Instagram Selfies mit denjenigen Männern veröffentlicht, die ihr durch Zischlaute o.Ä. zu verstehen gegeben haben, dass sie… ja, was eigentlich? Dass sie an ihr interessiert seien? Wie unglaublich armselig. In den Niederlanden wird Catcalling (auch dieser Begriff ist übrigens verharmlosend) bereits z.T. als Ordnungswidrigkeit geahndet. Warum eigentlich nicht in Deutschland?

Wo fängt es an? Diese Frage ist so schwer zu beantworten, dass wir uns gleich der viel wichtigeren Frage widmen sollten: Wo und wie hört es auf? Natürlich muss man sich mit den Ursachen beschäftigen, aber viel wichtiger ist es das Schweigen und die dadurch geschaffene Atmosphäre der Toleranz zu durchbrechen. Und hier sind alle Männer in der Pflicht.

Warum alle Männer? Weil jeder Mann jeden Tag in jedem Kontext die Möglichkeit hat ein Teil der Lösung zu werden. Und ich spreche hier nicht vom Klischee des Weißen Ritters, der bedrängten Frauen zu Hilfe eilt. Statt dessen brauchen Männer eine Wahrnehmung ihrer selbst im jeweiligen Kontext. Sexuelle Belästigung und Sexismus sind nicht immer so offensichtlich wie im Falle des Catcallings. Solche Dinge laufen häufig viel subtiler ab.

Ich kann nur immer wieder an Männer appellieren sich zu (hinter)fragen:

  • Was tat ich um eine Atmosphäre gegenseitigen Respekts herzustellen?
  • Wie trug ich Sorge dafür, dass Menschen sich sicher fühlen können?
  • Wann erhob ich meine Stimme gegen Ausgrenzung und Gewalt?
  • Wo hinterfragte ich Machtstrukturen, durch die Menschen ausgenutzt werden?
  • Warum habe ich geschwiegen, als meine Stimme gefragt war?

Das ist nur ein Anfang. Aber auf diese Weise können Männer ihren Teil dazu beitragen, dass unsere Gesellschaften als Korrektiv fungieren: Übergriffigkeit und Gewalt hätten so keine Chance mehr.

Brechen wir das Schweigen, werden wir zu einem Teil der Lösung!

 

21 Gedanken zu “#MeToo und das Schweigen der Männer

  1. Hat dies auf talking about sexual trauma rebloggt und kommentierte:
    Weil ich gerne auch mal gute Nachrichten verbreite. Und „danke“ sage an Robert Franken für den Post. Und auch Frauen ermutigen möchte: Habt Mut, lass Euch nicht abschrecken durch den absehbaren Spott, das in die „Hexen“- oder „Zicken“-Ecke gestellt werden: Wir sind nicht allein. Schaut bloß mal auf Twitter oder Facebook unter #Metoo: Da ist vielleicht was los! Und Schweigen und Wegsehen ist allermeist die schlechteste Lösung und tut auch uns selbst weh.

      • Ist ja auch schon eine Weile her. 🙂

        Er taucht nur gerade wieder in der Öffentlichkeit auf, ohne das mir bisher zu Ohren gekommen wäre, daß er sein damaliges Verhalten reflektiert hätte.

  2. Pingback: Meine Serien-Linktipps (79) - Serienkram

  3. Ich bin auf den üblichen digitalen Umwegen auf diesen Artikel gestoßen und möchte meine persönliche Story dazu erzählen. Ohne zu bewerten, einzuordnen – das kann jeder selbst tun.
    Meine letzte sexuelle Traumatisierung liegt noch nicht allzu lange zurück und geschah durch jemanden aus dem Filmbusiness. Ich selbst habe es nicht so wahrgenommen – bis mir ein befreundeter Mann die Augen öffnete. In einem vertraulichen Chat waren wir auf das Thema gekommen und plötzlich brach das Erlebnis sich Bahn und ich erzählte davon. Er war völlig schockiert und machte klar, dass das eigentlich eine versuchte Vergewaltigung war. Er half mit auch, mich durch das Wirrwarr an Mustern, Schuldgefühlen etc. durchzufühlen und Klarheit zu bekommen und weitere mögliche Schritte zu finden. Nein, er ist kein Sozialarbeiter, kein Psychologe. Er ist u. a. Filmregisseur. Ein anderer Freund, ein Dokumentarfilmer und Journalist, beschäftigt sich auch intensiv mit dem Thema, deckt kollektiven Missbrauch auf im breiten Feld der Zwangsprostitution und hat darüber auch schon Filme gemacht. Ich weiß, das mögen die berühmten Einzelfälle sein und ich bin in der glücklichen Lage, genau solche Männer zu kennen. Und ich weiß, die meisten Männer sind genauso hilflos wie wir Frauen. Das hat vielleicht was mit „kollektivem Trauma“ zu tun. Ich hatte einfach den Wunsch in dieser Zeit jetzt, wo so viele schmerzhafte Wahrheiten in Sachen sexueller Missbrauch ans Licht kommen, meine Geschichte zu erzählen. Und ja, dass es ausgerechnet ein Mann war, der mir half, mein Trauma aufzudecken, war tatsächlich ein special healing moment.

  4. Ich finde es sehr wichtig, das Schweigen zu brechen und ebenso wichtig, dass man als Betroffene(r) sich trotzdem in dieser Gesellschaft aufgehoben weiß. Frei von „Anschuldigungen“ wie „du hast es doch gewollt/ provoziert/ gewußt“ Die Zeit dafür scheint gekommen zu sein, dass nach mutigen Outings die Gesellschaft auch mutig andere Konsequenzen zieht als vorher.

  5. Ja, das ist ein großes Thema. Und es gehören mindestens zwei dazu. Der „Täter“ und das (gefühlte) „Opfer“. Denn nicht jede Frau, der das passiert, ist automatisch Opfer. Nicht jede befindet sich in einer Zwangslage und muss das in dem Moment, in dem so was passiert, hinnehmen oder ertragen.

    Bitte nicht mißverstehen: Ich schiebe hier nicht den Frauen den schwarzen Peter zu im Sinne von: Es liegt an dir – würdest du dich anders verhalten dann wären die armen Männer ganz anders. Nein – wirklich nicht – viele Männer haben allen Grund ihre Einstellung zu Frauen und ihr Verhalten ihnen gegenüber zu verändern. Aber: Wir hätten heute kein Wahlrecht wenn dafür Frauen nicht eingestanden hätten! Nicht die Männer waren es, die plötzlich ihre Sichtweise und Verhalten geändert und den Frauen das Wahlrecht auf dem Silbertablett angeboten haben. Es waren die Frauen, die fast 100 Jahre lang GESAGT haben WIE SIE BEHANDELT WERDEN WOLLEN und für das, WAS sie tatsächlich wollen, gekämpft haben!

    Mein Appell geht deshalb an dich als Frau: Sei präsent und lasse dir so etwas nicht gefallen! Wehr dich! Nicht erst im Nachhinein, irgendwann. Sondern dann, wenn es passiert. Wie Juliette Binoche in „So ist Paris“: Sie dreht sich um, geht direkt zu dem Kerl, der ihr nachgepfiffen hat und fragt ihn, ob er etwa sie damit gemeint hat – worauf dieser beschämt ist. Dazu braucht es Selbstbewusstsein. Und nicht immer ist es so einfach. Manchmal bräuchte es erst einen Kurs in Selbstverteidigung damit der Mut dazu aufgebracht werden kann…

    Ich frage dich aber: Ist dir klar, wie du von Männern behandelt werden möchtest? Und wie nicht? Und bist du bereit, dafür einzustehen? Was tust du dafür? Welches Vorbild – für Jungs, Männer, andere Frauen und Mädchen – gibst du (automatisch) ab? Welchen Spielraum hast du im Alltag – zuhause, in der Arbeit, auf der Straße? Um zu zeigen wie du als Frau behandelt werden möchtest? Nutzt du ihn?

    Es waren Frauen, die dafür den Boden bereitet, dass wir Frauen uns heute selbstbewusst in der Gesellschaft bewegen können. Nutzen wir also unsere Möglichkeiten!!!

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  11. Warum muss ich als Mann aktiv werden, wenn ein anderer eine Verfehlung begeht, nur weil es zufällig mein Geschlechtsgenosse ist? Diese Pauschalisierung ist weder zielführend noch wünschenswert.
    Im Gegenteil fühle ich mich dadurch nur angegriffen, auf Basis eines Sachverhaltes an dem ich weder Schuld bin, noch etwas ändern kann (und zumindest stellenweise auch nicht will: z.B. Catcalling zu kriminalisieren, ist mE an Lächerlichkeit kaum zu überbieten).
    Tatsächlich fühlt sich diese gesamte Diskussion als pauschaler Fingerzeig (mit Erwartungshaltung auf einseitige Verhaltensänderung) Richtung Männerwelt an.

    • Vielleicht merken Sie es nicht, aber: Sie sind das perfekte Beispiel dafür, dass ich mit den angesprochenen Punkten Recht habe. Ihre Reflexe sind dafür mitverantwortlich, dass wir eine misogyne Gesellschaft sind. Das meine ich in keiner Weise als Vorwurf. Sie bestätigen lediglich meine Annahme. Haben Sie denn eine Idee, wie wir eine wertschätzende Gesellschaft werden können, in der jeder Mensch Akzeptanz findet – wo Sie doch keine aktive Rolle in Sachen Verantwortung einnehmen wollen?

      • Vorweg erst mal ein Danke dafür, dass wir hier offen über das Thema diskutieren können. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Zum Inhalt:

        Ihre Forderung ergibt mE keinen Sinn. Ganz allgemein gefragt: Auf welcher Basis soll ich denn aktiv Verantwortung für das Handeln Anderer übernehmen? Rechtlich ist die Frage ohnehin schon längst geklärt, aber auch moralisch ergibt sich mir daraus keinen Sinn.
        Zudem: Meine Weltanschauung ist absolut geschlechtsneutral. Jeder Mensch, egal welcher Herkunft, Sexualität oder eben auch Geschlecht (etc pp!), hat für mich die gleichen Rechte und Pflichten. Witzigerweise soll ich trotzdem „mitverantwortlich [sein], dass wir eine misogyne Gesellschaft sind“. Ich kann aber doch nicht verantwortlich für Dinge sein, die ich weder unterstütze, noch selbst getan habe. Da passt etwas nicht!

        Ich habe übrigens keine Idee, wie wir eine wertschätzende Gesellschaft werden können, weil sie es mE genau das bereits ist (jedenfalls in westlichen Ländern). Selbst Art 3 des Grundgesetzes sagt schon seit langem, dass eine systematische Benachteiligung eines Geschlechts allenfalls in Form einer „Beseitigung bestehender Nachteile“ für ein Geschlecht bestehen darf. Tatsächlich existieren derzeit fast ausschließlich nur Förderprogramme u.ä. für das weibliche Geschlecht, obwohl sehr wohl bekannt ist, dass zumindest in gewissen Gebieten Männer die Benachteiligten sind.
        Beispiele dafür:
        Das Verhältnis Frauenhäuser ggü. Männerhäusern, obwohl das Verhältnis häuslicher Gewalt (inkl psychologischer Gewalt) ein ganz Anderes ist.
        Förderungen für Mädchen an Schulen, obgleich schon seit etlichen Jahren bekannt ist, dass Jungen viel dringender gefördert werden müssten.

        Zum sog. Catcalling: Selbst das ist wertschätzend, jedenfalls in seiner Intention, denn es ist im Grunde genommen ein Kompliment, wenngleich auf maximal-oberflächlicher Basis. Diese Intention mag vom Rezipienten tatsächlich nicht gewünscht sein, aber dann ist es eben genau das: ein Rezeptionsproblem. Dass das Catcalling spätestens bei physischer Interaktion endet, sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, versteht sich mE aber von selbst.
        Ihre Frage, warum Männer das eigentlich machen (und ja, ich halte es auch für armselig), kann man mit einer längst bekannten Erkenntnis beantworten: Männer und Frauen ticken anders. Oder noch allgemeiner: Jeder Mensch tickt anders. Was dem einen Menschen gefällt, kann der andere Mensch abgrundtief hassen.
        Ein Beispiel zum Thema: Vor ein paar Jahren hat Laci Green ein Video veröffentlicht, in dem sie erklärte, dass es für sie unabdingbar sei, dass der Mann beim Date zuerst fragt, ob er sie küssen dürfe, statt sie einfach zu küssen. In den Kommentaren zu dem Video schrieben nun andere Frauen, dass sie es a) genauso sehen oder b) die Frage die Stimmung so sehr zerstöre, dass das Date dann geplatzt wäre.
        Wer hat nun Recht? Und viel wichtiger: Wie verhalte ich mich jetzt als Mann?
        Die einen erwarten, dass sie eine gewisse Reaktion von Männern bekommen. Die anderen empfinden bereits Blicke als belästigend. Beides nachvollziehbar, aber beides in erster Linie ein Rezeptionsproblem.

        Dann möchte ich noch einen weiteren Punkt ansprechen. Sie schrieben:
        „Die Täter hingegen können nur deshalb so ungestraft agieren, weil sie von einer schweigenden Masse gedeckt wurden. Männer treten stets dann in Komplizenschaft, wenn sie sich nicht vehement und hörbar gegen jede Art von Übergriffen und Sexismus stellen.“

        Dazu zwei Erläuterungen:
        Zum einen möchte ich auf die (gewollte oder ungewollte) Implikation eingehen, dass die schweigende Masse ausschließlich aus Männern besteht. Man muss sich hier vor Augen halten, dass dutzende Frauen nun ein #metoo posten (was zweifelsohne erschreckend ist), und gleichzeitig in Interviews, Tweets o.ä. verlautbaren lassen, dass sie von solchen Handlungen nicht nur betroffen waren/sind, sondern auch von anderen wussten; wohl auch, um die Brisanz zu unterstreichen. Das sie nicht schon längst(!) an die Öffentlichkeit gegangen sind, macht sie in meinen Augen zu Komplizen, denn sie sind oder waren direkt beteiligt.

        Zum anderen hatten wir den gleichen Tenor schon bei Terroranschlägen. Da wurde von vereinzelt gefordert, dass sich nun jeder einzelne Moslem „vehement und hörbar gegen jede Art von“ Terror zu distanzieren hat. Diese Forderungen wurden und werden immer noch (völlig zurecht) als rechts und/oder fremden- bzw. islamfeindlich bewertet.
        Im Grunde ist die Thematik aber die selbe: Unbeteiligte Männer sehen es nicht ein für das Verhalten anderer Männer in die Verantwortung genommen zu werden, nur weil sie Geschlechtsgenossen sind. Genauso wie an Terroranschlägen unbeteiligte Moslems es nicht einsehen, sich vom Terror distanzieren zu müssen, nur weil die Terroristen den selben Gott anbeten.

  12. „Auf welcher Basis soll ich denn aktiv Verantwortung für das Handeln Anderer übernehmen?“
    Durchaus ethisch-moralisch, etwa als Teil eines Korrektivs bei Grenzüberschreitungen, als „Ally“ der Betroffenen bei Übergriffigkeiten, als Erzieher von Menschen, die eine inklusive Gesellschaft bilden sollen etc. Es gibt sehr viele Möglichkeiten Verantwortung zu übernehmen.

    „Ich kann aber doch nicht verantwortlich für Dinge sein, die ich weder unterstütze, noch selbst getan habe.“ Das erinnert mich an die Debatte über Schuld und Verantwortung im Nationalsozialismus: Niemand, der nach 1945 geboren wurde, kann Schuld auf sich geladen haben. Aber verantwortlich dafür, dass so etwas nie wieder passiert, sind wir alle. Ich sehe das auch beim aktuellen Thema so.

    „Tatsächlich existieren derzeit fast ausschließlich nur Förderprogramme u.ä. für das weibliche Geschlecht, obwohl sehr wohl bekannt ist, dass zumindest in gewissen Gebieten Männer die Benachteiligten sind.“ Daher weht vermutlich Ihr Wind. Nun, das ist ein sehr bekannter Reflex vieler Männer. Leider berücksichtigt er nicht die Erkenntnis, dass sehr viele Dinge, die Männern widerfahren, ihren Ursprung dort haben, wo auch Misogynie etc. entstehen: in starren Rollen und in nicht gelösten emotionalen Konflikten. Es geht nicht und entweder/oder, sondern um sowohl/als auch.

    „Zum sog. Catcalling: Selbst das ist wertschätzend, jedenfalls in seiner Intention, denn es ist im Grunde genommen ein Kompliment, wenngleich auf maximal-oberflächlicher Basis.“ Diesen Scheiß glauben Sie hoffentlich selbst nicht. Falls doch, dann fragen Sie doch mal herum, wie viele Frauen das als Kompliment empfinden.

    „Männer und Frauen ticken anders. Oder noch allgemeiner: Jeder Mensch tickt anders. Was dem einen Menschen gefällt, kann der andere Mensch abgrundtief hassen.“ Damit machen Sie es sich zu einfach. Ich dachte, Sie wollten anfangen zu differenzieren? Dann müssten wir derlei Allgemeinplätze jedoch weglassen.

    „Wie verhalte ich mich jetzt als Mann? Die einen erwarten, dass sie eine gewisse Reaktion von Männern bekommen. Die anderen empfinden bereits Blicke als belästigend. Beides nachvollziehbar, aber beides in erster Linie ein Rezeptionsproblem.“ Indem Sie es als „Rezeptionsproblem“ abtun, weisen Sie erneut jegliche Verantwortung für Ihr Handeln von sich. Ihr pauschaler Freispruch lautet „Ich habe es doch gut gemeint.“ Das ist nicht haltbar, und das wissen Sie.

    „(…) möchte ich auf die (gewollte oder ungewollte) Implikation eingehen, dass die schweigende Masse ausschließlich aus Männern besteht.“ Punkt für Sie. Aber: Das Brechen des männlichen Schweigens hätte in diesen Fällen erheblich größere Wirkkraft.

    „Unbeteiligte Männer sehen es nicht ein für das Verhalten anderer Männer in die Verantwortung genommen zu werden, nur weil sie Geschlechtsgenossen sind.“ Ich kann Ihnen diese Haltung nicht verbieten. Ich halte sie jedoch für falsch.

    • „Als Erzieher von Menschen, die eine inklusive Gesellschaft bilden sollen etc.“
      Das halte ich für am wenigsten Sinnvoll. Sofern eine Erziehung vorgenommen werden muss, ist eine Gesellschaft nicht mehr frei.

      „Es gibt sehr viele Möglichkeiten Verantwortung zu übernehmen.“
      Ja sicher, die Frage ist nach wie vor, wie sinnvoll das ist.

      „Aber verantwortlich dafür, dass so etwas nie wieder passiert, sind wir alle. Ich sehe das auch beim aktuellen Thema so.“
      Was bestätigt, dass eine Gleichberechtigung jedenfalls hierzulande bereits vorhanden ist. Dem stimme ich zu. Es mag hier und da noch kleinere Baustellen geben, das will ich gar nicht bestreiten, aber im Großen und Ganzen gibt es eigentlich nichts mehr zu tun.

      „Leider berücksichtigt er nicht die Erkenntnis, dass sehr viele Dinge, die Männern widerfahren, ihren Ursprung dort haben, wo auch Misogynie etc. entstehen: in starren Rollen und in nicht gelösten emotionalen Konflikten.“
      Was bedeutet das? Ist das, was Männern widerfährt Rache? Oder wie ist das gemeint?

      „Es geht nicht und entweder/oder, sondern um sowohl/als auch.“
      Da haben Sie mich missverstanden. Mir ist vollkommen klar, dass es um ein sowohl/als auch geht. Siehe Beispiele: Frauenhäuser gibt es zuhauf. Männerhäuser (afaik in Deutschland) kein einziges. Ich fordere nicht, dass Frauenhäuser zugunsten von Männerhäusern aufgegeben werden.
      Oder auch die Förderprogramme in Schulen: Ich fordere ebenfalls nicht, dass Mädchenförderung aufgegeben wird. Aber es ist nun mal Tatsache, dass Jungen mehr Förderung benötigen, es aber kaum welche für sie gibt. Das lässt sich schlecht wegdiskutieren.

      „Diesen Scheiß glauben Sie hoffentlich selbst nicht. Falls doch, dann fragen Sie doch mal herum, wie viele Frauen das als Kompliment empfinden.“
      Sie müssen auch weiterlesen 🙂
      -> „Diese Intention mag vom Rezipienten tatsächlich nicht gewünscht sein, aber dann ist es eben genau das: ein Rezeptionsproblem.“

      „Dann müssten wir derlei Allgemeinplätze jedoch weglassen.“
      Auf eine gewisse Verallgemeinerung werden wir wohl nicht verzichten können, ansonsten müssen wir konsequenterweise _jeden_ einzelnen Fall gesondert behandeln.

      „Indem Sie es als „Rezeptionsproblem“ abtun, weisen Sie erneut jegliche Verantwortung für Ihr Handeln von sich.“
      Was ich damit sagen wollte ist, dass der Rezipient in diesem Fall vollständig in der Hand hat, wie er damit umgeht. Hingegen den Verursacher umzupolen ist mit erheblichem(!) Aufwand verbunden, für einen Gewinn, der kaum bis gar nicht messbar ist und sogar in mehrfacher Hinsicht kontraproduktiv ist:
      Eventuell will Frau die Aufmerksamkeit (weiß niemand, bis nicht jemand gefragt oder ausprobiert hat) und zudem wird die Person ganz pauschal in ihrer (Rede-)Freiheit eingeschränkt.

      „Ihr pauschaler Freispruch lautet „Ich habe es doch gut gemeint.“ Das ist nicht haltbar, und das wissen Sie.“
      Ernstgemeinte Fragen: Warum ist das nicht haltbar? Warum sollte es denn tatsächlich nicht „gut gemeint“ sein? Woran machen Sie das fest? Und was, wenn es nachweislich gut gemeint ist, warum ist das trotzdem ein Problem?
      Noch mal meine zuvor gestellte Frage: Wie verhalte ich mich als Mann denn richtig? Gehe ich auf die Frau zu und frage, ob ich darf (oder gar soll)? Was, wenn allein diese Frage schon negativ bewertet wird?

      „Aber: Das Brechen des männlichen Schweigens hätte in diesen Fällen erheblich größere Wirkkraft.“
      Woran machen Sie das fest? Ich sehe keinen erkennbaren Fortschritt darin, dass ich mich von etwas distanziere, was für mich (und auch ein Großteil der Männerwelt) selbstverständlich ist.

      „Ich kann Ihnen diese Haltung nicht verbieten.“

      Zum Glück nicht! Obwohl, wenn wir über Erziehungsmaßnahmen sprechen, geht das schon in diese Richtung 😛

      „Ich halte sie jedoch für falsch.“

      Sonst würden wir ja auch nicht diskutieren 😉

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