Problemfall Männer-Events – und warum Männer Teil des Problems sind

Veranstaltungen, auf denen nur oder fast ausschließlich Männer Vorträge halten oder an Podiumsdiskussionen teilnehmen, sind hierzulande bei weitem keine Ausnahme und in manchen Industrien gar die Regel. Der Blog „50 Prozent“ vermittelt einen beispielhaften Eindruck der z.T. noch vorherrschenden Realität.

In der vergangenen Woche haben wir die Initiative #men4equality gestartet, in deren Zuge wir klarstellen, dass wir nicht mehr auf reinen Männerveranstaltungen sprechen wollen. Wir, das sind zunächst 25 Erstunterzeichner; allesamt Männer, die regelmäßig Vorträge halten oder an Podiumsdiskussionen teilnehmen.

Was Veranstaltende dazu bringt auf weibliche (und/oder nicht-binäre) Veranstaltungs-Vortragende weitgehend zu verzichten, darüber kann man größtenteils nur spekulieren. Vermutlich sind es zwei Gründe, die ausschlaggebend für eine noch immer schlechte Gender Balance bzw. Vielfalt sind.

Aus Sicht der Event-Verantwortlichen sind Programme mit männlichen Speakern i.d.R. viel einfacher zu besetzen, da Männer häufig schneller auffindbar sind und sich stärker als Sprecher positionieren. Gleichzeitig zögern Männer viel seltener, wenn sie gefragt werden ob sie auf eine Bühne gehen wollen. Beide Aspekte erleichtern die Arbeit der Veranstaltenden erheblich.

Doch genau hier liegt ein Hebel zu mehr Vielfalt und damit zu spannenderen und relevanteren Veranstaltungen und Diskussionsrunden. Alle Beteiligten sollten sich größte Mühe geben um Ausgewogenheit bei den Vortragenden herzustellen. Schließlich wollen wir eine Vielfalt an Talenten sehen und hören, deren Lösungsansätze, best practices und persönlichen Geschichten in Zeiten zunehmender Komplexität inspirieren und motivieren.

Aufgabe der Veranstaltenden ist es also Diversity bei den Programmen und Speaker-Lineups zu berücksichtigen. So könnte man zumindest meinen. Es sind aber auch die Männer in der Pflicht: Wer reine Männerveranstaltungen mit seiner Anwesenheit beehrt, ist Teil des Problems. Wolfgang Lünenbürger, einer der Erstunterzeichner von #men4equality, hat sehr gut beschrieben, was Männer tun können, um Teil der Lösung zu werden.

Bei #men4equality geht es natürlich nicht nur um Männer und Frauen, sondern um Frauen* und Männer* und alle Gender, die in der Summe ihrer Teile Vielfalt ausmachen. Dennoch haben wir uns zunächst auf das leidige Thema #allmalepanels konzentriert, da Gender hierzulande der sichtbarste Aspekt von Diversity ist.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Wir sind nicht als „Weiße Ritter“ unterwegs, die mehr Frauen auf Podien bringen wollen, jedenfalls ist das nicht unser vorrangiges Ziel. Frauen können das schließlich gut ohne uns. Wir sehen diesen Effekt daher eher als „Kollateralnutzen“.

Uns geht es vor allem darum, dass Diskussionsrunden und Panels, an denen ausschließlich Männer teilnehmen, aus unserer Sicht schon vom Prinzip her uninteressant sind und deshalb von uns nicht besucht werden. Der genaue Wortlaut unserer Initiative ist hier nachzulesen.

Als virtuellen Ort für #men4equality haben wir, die beiden Initiatoren Robert Franken und Dirk von Gehlen, die Plattform „Male Feminists Europe“ gewählt. Diese besteht seit März dieses Jahres und hat zum Ziel eine Art intellektuelle Brücke für Männer zu Teilen der feministischen Agenda zu schlagen; oder, vereinfacht ausgedrückt: mehr Männer dazu zu bringen an der Debatte teilzunehmen und ihre Rolle(n) zu reflektieren. Initiatoren von MFE sind Robert Franken und Henrik Marstal.

Um es noch einmal zu betonen: Natürlich sind reine Männerrunden nicht per se langweilig oder uninteressant. Die Wahrscheinlichkeit jedoch, dass bei der Reduzierung des „talent pools“ auf lediglich etwa die Hälfte der Bevölkerung auch die Qualität leidet, halten wir für relativ hoch. Deshalb die Initiative, und deshalb vor allem der Impuls für einen Perspektivenwechsel.

(Bildquelle: unsplash.com)

13 Gedanken zu “Problemfall Männer-Events – und warum Männer Teil des Problems sind

  1. Man könnte vielleicht noch auf die doch sehr vertiefte Diskussion im englischsprachigen Internet eingehen wo unter #allmalepanel schon seit geraumer Zeit ueber das Problem diskutiert wird-vorallem im hochschul- und entwicklungspolitischen Bereich. Die Debatte ist dort auch schon ein Schritt weiter und bricht die 50-50 Männer-Frauen Binarität weiter auf. Diversität ist wichtig, das bedeutet aber eben, dass Anzugsträger um Mitte 40 auf Panels nicht nur durch Frauen, sondern auch ältere/juenger Männer usw. ergänzt werden sollten.
    BBC Trending im März 2016: „The men who are taking a stand against ‚dude fests'“ http://www.bbc.com/news/blogs-trending-36333700

    • Das ist richtig. Danke für den Kommentar. Und in der Tat mutet es im internationalen Vergleich geradezu anachronistisch an, wenn man hierzulande lediglich gegen #allmale antritt, während andernorts die von Ihnen richtig beschriebenen Debatten bereits in vollem Gange sind. Die Plattform „Male Feminists Europe“ ist auch aus diesem Grunde international angelegt – damit der Debattenstand auch im Vergleich sichtbar wird und sich (hoffentlich) manche Diskussionen beschleunigen und irgendwann von selbst erledigen.

  2. „Gleichzeitig zögern Männer viel seltener, wenn sie gefragt werden ob sie auf eine Bühne gehen wollen“
    Frauen wollen also zum Jagen getragen werden.

    „Frauen* und Männer* und alle Gender“
    Es gibt nur 2 Gender und Menschen, die gerade in der einen oder anderen Richtung von einem Gender ins andere wechseln („transgender“). Letzteres ist aber ein Prozess, der auch irgendwann abgeschlossen sein sollte.
    Ein Mädchen, dass sich eher wie ein Junge verhält ist nicht „non-gender binary“, sie ist ein tomboy. Das ändert aber nichts daran, dass sie immer noch ein Mädchen ist.
    Und nur weil ich kein Bier trinke und keinen Fußball gucke, macht mich das nicht zum Nichtmann.
    Dieses ganze Pandering der „special snowflakes“ zieht eine Generation von Egomanen heran, die alle besondere Behandlung und Beachtung erwarten, weil ja jeder einen Mitmachpokal bekommt.
    Eher sollte man den Leuten beibringen, dass niemand was besseres als jemand anders ist, Männer sind nicht besser als Frauen und andersum, Deutsche sind nicht besser als Syrer.

    Und um den Punkt zu Ende zu bringen: „Panels, an denen ausschließlich Männer teilnehmen, aus unserer Sicht schon vom Prinzip her uninteressant“ -> und ich gucke mir Panels an, auf denen die Panelisten was interessantes zu sagen haben. Um es abgewandelt mit Martin Luther King zu sagen „They will not be judged by the shape of their genitals but the content of their brain“.

    • Danke für den Kommentar. Wie in meinen anderen Antworten schon zu lesen war und ist: Es ist ein Scheinargument zu behaupten, dass nur die Qualität zählt, wenn die Gründe, warum Frauen oft unterrepräsentiert sind, nicht (an)erkannt werden. Dazu haben wir uns aber bereits mehrfach geäußert.

  3. Ich finde den Ansatz interessant, frage mich aber, ob männliche Diskussionsteilnehmer tatsächlich in der Verantwortung sind. Wenn Frauen tendenziell zögerlicher sind, könnte das gewählte Format auch entweder generell nicht gut sein, um qualitativ hochwertige Ergebnisse zu liefern (vorausgesetzt, diese Hypothese ist überhaupt zutreffend, woran ich zweifele) oder Frauen müssten sich an die Formate anpassen, um eine stärkere Präsenz und damit eine bessere Rezeption bei den Zielgruppen zu erhalten.
    Hinzu kommt die Frage, ob das Geschlecht tatsächlich ein ausschlaggebender Faktor für bestimmte Blickwinkel und Einwürfe ist. Nur unter dieser Annahme (die zugegebenermaßen bei geschlechterbezogenen Debatten wie Abtreibungsregelungen, Geschlechterrepräsentanz oder Gewalt gegen Frauen auf der Hand liegt, bei nicht geschlechterbezogenen Themen wie wirtschaftlicher Entwicklung, Wohnraumpreise oder Landschaftsarchitektur dagegen fragwürdig ist) macht es Sinn, Panels zwingend diverser zu besetzen.

  4. Mir ist nicht ganz klar, welches Problem hier gelöst wird. Gibt es grundsätzliche Gründe anzunehmen, dass Frauen bei allgemeinen Themen eine andere Perspektive beisteuern können als Männer, alle anderen Faktoren fixiert? Mir geht es dabei explizit nicht um geschlechtsspezifische Themen, sondern ich frage im Allgemeinen, d.h. bei Themen die Frauen und Männer gleichermaßen betreffen.
    Ich sehe Geschlecht in etwa so wie Augen- oder Haarfarbe: Teil der Identität, unveränderlich und für Diskussionen daher irrelevant. Unter diesem Blickwinkel klingt die Forderung mehr rothaarige Menschen in Podiumsdiskussionen einzuladen als ständig schwarzhaarige, da man andernfalls die wertvolle Perspektive rothaariger Menschen ausschließt, unplausibel. Das Argument würde funktionieren, wenn rothaarige Menschen prinzipiell aufgrund ihrer Haarfarbe ausgeschlossen wären.
    Das scheint hier nicht der Fall zu sein: der Autor sagt selbst, dass sich aus Sicht der Verantwortlichen Frauen seltener öffentlich positionieren und weniger häufig zusagen, wenn sie gefragt werden. Das liegt aus meiner Sicht völlig im Rahmen der individuellen Selbstbestimmung.

    • Ich antworte auf diesen Kommentar, obwohl er die tausend Mal wiederholte Argumentation benutzt, dass Gender entweder keine Kategorie sei oder die Unterschiede zwischen den Geschlechtern fix seien. Welches Problem gelöst wird? Zum Beispiel die mehr oder weniger stillschweigende Akzeptanz, dass Männer die Norm sind und Frauen – Achtung: binäre Bezeichnung zur Vereinfachung – bestimmte Dinge eben nicht können/wollen/sollen. Unsere Argumentation ist: Für uns sind Veranstaltungen, auf denen ausschließlich Männer sprechen, nicht interessant, da wir annehmen, dass Qualität schon aus Wahrscheinlichkeitsgründen fehlt, wenn 50 Prozent der Bevölkerung nicht stattfinden. Was Sie als „individuelle Selbstbestimmung“ bezeichnen, hat seine Begründung in der männlichen Norm und nur sehr selten in der bewussten und persönlichen Entscheidung.

      • Zunächst erstmal vielen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, auf meinen Kommentar zu reagieren.
        Ich möchte unterstreichen, dass mein Argument nicht war, dass Geschlecht keine Kategorie sei oder die Unterschiede zwischen den Geschlechtern fix wären. Ich behaupte, dass Geschlecht als Kategorie für Diskussionen über allgemeine Themen ebenso irrelevant ist wie Augen- und Haarfarbe, da die individuellen geschlechtsunspezifischen Unterschiede zwischen zwei beliebigen Personen dominieren. Ich bestreite also nicht, dass es Erfahrungen gibt, die viele Frauen teilen (ebenso wie es Erfahrungen gibt, die viele rothaarige Menschen teilen), sondern behaupte nur, dass die anderen Faktoren wie etwa Einkommen, Religiosität und politische Überzeugungen um Welten aussagekräftiger sind als die Geschlechter der Diskussionsteilnehmer. Das ist der Grund, weshalb ich kein grundsätzliches Problem mit reinen Männerrunden habe, solange potentielle Kandidatinnen um ihre Teilnahme gebeten und damit nicht diskriminiert werden. Vermutlich werden wir uns in diesem Punkt nicht einig :).
        Wenn ich Sie bei Ihrem zweiten Punkt richtig verstehe, sprechen Sie von der Signalwirkung, die Diskussionen mit einem überwiegenden Männeranteil auf das Publikum haben können. Da bin ich schon eher bei Ihnen. Hier muss man abwägen zwischen dem Wunsch Stereotype durch die Besetzung mit „untypischen“ Teilnehmern zu brechen und der Realität, dass, warum auch immer, Frauen sich weniger sichtbar positionieren und seltener zusagen, wenn sie angesprochen werden. Der pragmatische Weg des geringsten Widerstands spiegelt sich im status quo wieder und ändert sich nur, wenn Druck ausgeübt wird. Ihre Initiative versucht Druck für die Veranstalter zu erzeugen, indem mutmaßlich wichtige Diskussionsteilnehmer absagen, wenn nicht gewisse Quoten erfüllt werden. Sie erhoffen sich mutmaßlich davon, dass Veranstalter dadurch gründlicher nach kompetenten, weiblichen Teilnehmern suchen. Den Erfolg Ihrer Initiative vorausgesetzt halte ich es jedoch für wahrscheinlicher, dass man bei Podiumsdiskussionen mit ähnlichen thematischen Schwerpunkten stets die gleichen Frauen sieht – diejenigen, bei denen es sich herumgesprochen hat, dass sie zusagen. Das Resultat wäre dann eine verringerte Meinungsvielfalt.
        Vielleicht haben Sie recht und Veranstalter investieren aufgrund der Initiative mehr Zeit in die Suche nach Teilnehmerinnen. Polittalkshows sprechen jedoch eher für die Faulheit der Verantwortlichen.

  5. Ich verstehe den Sinn der Veranstaltung nicht.
    Insbesondere das „Wir sind nicht als „Weiße Ritter“ unterwegs, die mehr Frauen auf Podien bringen wollen“… ja, aber genau das wollt ihr doch offensichtlich?
    Und was den 50%-Blog betrifft: Viele der Veranstaltungen sind für bzw von Industrien in denen traditionell der Frauenanteil sehr gering ist. Ingenieurswesen und Informatik vorneweg. Dass dann auch der Frauenanteil an Sprechern gering ist sollte niemanden wundern. Wieso muss man den dann erzwungen erhöhen?
    Wäre es nicht viel sinnvoller, Frauen verstärkt dazu zu ermutigen, diese Berufe zu ergreifen? Dann gleicht sich der Prozentsatz ganz von alleine aus.

    • Warum wir das Thema „mehr Frauen auf Podien“ nicht in den Vordergrund unserer Initiative stellen, haben wir im Text erklärt. Und ja: Es gibt Industrien, bei denen Männer sichtbarer sind als Frauen. Das einfach zu akzeptieren kann aber ja nicht der Weg sein, oder? Und ja: Frauen werden ermutigt z.B. MINT-Fächer zu studieren. Dass sich dadurch irgendwann alles von alleine löst, ohne dass das männliche System angegangen wird, ist jedoch leider ein Mythos.

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